Vortrag eines Holocaust Überlebenden

 


 

Vortrag des Holocaust Überlebenden Herrn Dr. Kurt Salomon Maier am 24. Oktober 2018


 

Nichts hält etwas intensiver in der Erinnerung fest, als der Wunsch es zu vergessen.

(Michel de Montaigne (1533 – 1592), französischer Philosoph und Essayist)

 

Als am 22. Oktober 1940 in Baden die Deportationen der Juden begannen, war davon auch die Familie von Kurt Salomon Maier aus dem kleinen Ort Kippenheim im Ortenaukreis betroffen. Insgesamt 5 600 Juden wurden damals – vor 78 Jahren – aus den badischen Gebieten ins Konzentrationslager im südfranzösischen Gurs gebracht. Herr Maier hat somit am eigenen Leib erfahren, was so vielen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus widerfahren ist.

Von diesen Erfahrungen und den Erlebnissen vor bzw. während der Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland berichtete Herr Maier am Mittwoch, den 24. Oktober 2018 – und somit fast auf den Tag genau 78 Jahre nach der Deportation – in einem Vortrag in der Realschule Gernsbach, an dem auch die Klassen 9a und 9b des ASG Gernsbach mit ihren Lehrern Frau Guth und Herr Krauth teilnehmen konnten.

Zeitzeugenberichte sind seit jeher ein wichtiger und lehrreicher Bestandteil der Geschichtswissenschaft, da sie uns ermöglichen aus erster Hand die Geschehnisse der jeweiligen Zeit nachzuvollziehen und zu erfahren. Aufgrund der fortschreitenden Zeit wird es jedoch immer schwieriger Menschen zu finden, die Zeit im Dritten Reich selbst erlebt haben. Daher ist dies wahrscheinlich eine der letzten Möglichkeiten an Informationen von Zeitzeugen zu kommen und für die Schüler eine einzigartige Gelegenheit.

 

Herr Maier begann seinen Vortrag mit einem Abriss über seine Familiengeschichte vor 1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Die Familie war fest verwurzelt im badischen Kippenheim, wo Herr Maier im Jahr 1930 geboren wurde. Gestützt durch zahlreiche Photographien seiner Familie aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, schilderte Herr Maier anschaulich und ausführlich, wie integriert die Familie in Kippenheim war. Er machte auch deutlich, dass es keinerlei Religionsunterschiede gab und dass Juden und Christen gemeinsam lebten und gemeinsam in katholische bzw. evangelische Schulen und Vereine gingen bzw. in diesen auch aktiv waren. Ein Teil der Familie war bereits vor dem Ersten Weltkrieg in die USA, nach Texas, ausgewandert, was sich für die Familie als Glücksfall erweisen sollte.

Im Januar 1933, nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, änderte sich das Leben der Juden in Deutschland – auch im beschaulichen badischen Kippenheim. Was zunächst mit Schikanen und kleineren Repressalien gegen Juden begann, steigerte sich in den folgenden Jahren zusehends. Vielen Juden aus Kippenheim gelang in jenen ersten Jahren noch die Flucht in die USA, doch der Vater von Herrn Maier hatte die Hoffnung, dass sich die Lage nicht so schlimm entwickeln würde, was dann aber doch der Fall war. Dennoch verblieb die Familie in Deutschland. Anschaulich dargestellt, zeigte Herr Maier auf zahlriechen Bildern, welches Bild die Nationalsozialisten von den Juden zeichneten, was auch in den Schulen gelehrt wurde. Der Antisemitismus in Deutschland begann somit – staatlich vorgeschrieben – schon sehr früh und steigerte sich dadurch, dass alle Juden einen Namenszusatz und den Buchstaben „J“ in den Pass gestempelt bekamen. Ihnen war es auch nicht mehr erlaubt die öffentlichen Schulen zu besuchen, sodass Herr Maier nach Freiburg auf eine jüdische Schule gehen musste. Einen Höhepunkt des Antisemitismus beschrieb Herr Maier mit Bildern der zerstörten Synagoge in Baden-Baden im Zusammenhang mit den Ereignissen der Reichsprogromnacht in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Auch das Auswandern nach Amerika gestaltete sich immer schwieriger, da durch die greifenden politisch angeordneten Enteignungen der deutschen jüdischen Bevölkerung meist das Visum oder das nötige Geld fehlten.

Ausführlich beschrieb Herr Maier den 22. Oktober 1940, als alle Juden in Kippenheim – wie auch überall sonst in Baden – zusammengetrieben wurden und nur mit einem Koffer und den nötigsten Habseligkeiten auf Lastwagen verfrachtet wurden, während die Nachbarn dem Spektakel beiwohnten. Obwohl Aufnahmen der Deportation der Juden verboten waren, gab es einen Photographen, der Bilder machte, diese aber nie veröffentlichte. Erst nach seinem Tod fand seine Witwe 1995 die Aufnahmen und so konnte Herr Maier den Schülerinnen und Schüler diese einzigartigen Bilder vom 22. Oktober 1940 zeigen.

Über Offenburg ging es dann auf Zügen nach Südfrankreich, an die Grenze zu Spanien, wo sich das Konzentrationslager Gurs befand. Da viele Juden nicht mit einer solchen „langen“ Reise gerechnet hatten, waren sie nur mit wenigen Habseligkeiten zusammengekommen. Auf der Reise nach Gurs gab es weder Essen noch Trinken und so mussten sie ohne Nahrung auskommen, es sei denn, sie hatten sich selbst etwas mitgebracht. Im Lager Gurs erwiesen sich die Zustände als katastrophal: Jeden Tag regnete es, es gab keine Betten für die Menschen, die dort eingesperrt wurden, kein Geschirr, kein Besteck und nur eine primitive Ausstattung des Notwendigsten. Aus diesem Grund starben viele Menschen – z.B. Herr Maiers Großvater – oder erkrankten, wie Herr Maier selbst, an Diphterie. Aus der Zeit in Gurs fehlten Herr Maier jegliche Bilder, da es solche nicht gab. Das einzige Andenken ist eine Notiz aus dem Krankenlager, die bestätigte, dass er gesund sei. Nichtsdestotrotz waren die Schilderungen Herrn Maiers so lebendig und emotional, dass alle Anwesenden einen Einblick in die Zeit im Lager Gurs bekamen.

Aufgrund ihrer engen Kontakte mit der Verwandtschaft in Amerika, die auch während der Zeit ihrer Inhaftierung im Lager Gurs nicht abbrach, gelang es der Familie von Herrn Maier in Marseille ein Visum für Amerika zu bekommen und Plätze auf einem portugiesischen Schiffe, welches sie dann in die USA brachte. Da die Vereinigten Staaten von Amerika zu diesem Zeitpunkt noch nicht am Zweiten Weltkrieg beteiligt waren, war dieser Weg der einzige noch mögliche, den Gräueltaten der Nationalsozialisten, die kurz danach folgten, zu entkommen. In Amerika konnte sich die Familie dann ein neues und sicheres Leben aufbauen und noch heute lebt Herr Maier dort – zunächst in New York und jetzt in Washington, wo er in der Library of Congress arbeitet. Seit 14 Jahren fühlt sich Herr Maier erst in der Lage über die Erlebnisse seiner Kindheit öffentlich zu reden und bereist dazu jedes Jahr im Oktober Deutschland, wo er sehr willkommen ist, um vor Publikum über sein Leben zu berichten – so auch am 24. Oktober in Gernsbach.

 

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